Die versteckten Schlösser Deutschlands

18. November 2023
Von: Thomas Schmidt
Kategorie: Kultur & Architektur

Deutschland ist ein Land der Burgen und Schlösser. Während Touristenmagnet Neuschwanstein und andere berühmte Schlösser jährlich Millionen von Besuchern anziehen, gibt es zahlreiche versteckte Perlen, die nicht minder beeindruckend, aber deutlich weniger überlaufen sind. In diesem Artikel stellen wir Ihnen einige dieser architektonischen Schätze vor, die abseits der ausgetretenen Touristenpfade liegen und einen Besuch absolut wert sind.

Norddeutschland: Versteckte Juwelen zwischen Meer und Heide

1. Schloss Ahrensburg, Schleswig-Holstein

Das weiße Renaissanceschloss Ahrensburg liegt nur wenige Kilometer nordöstlich von Hamburg und ist dennoch ein Geheimtipp. Das ehemalige Herrenhaus, das auf einer Insel inmitten eines kleinen Sees erbaut wurde, beeindruckt mit seiner schneeweißen Fassade und dem umliegenden Schlosspark. Im Inneren beherbergt das Schloss ein Museum, das anschaulich das Leben des Landadels im 18. und 19. Jahrhundert darstellt. Das Besondere: Die Originaleinrichtung ist noch weitgehend erhalten.

Besucherinfo: Geöffnet Dienstag bis Sonntag, Führungen stündlich. Besonders sehenswert sind die historischen Stuckdecken und die Porzellansammlung.

2. Schloss Bückeburg, Niedersachsen

Im Weserbergland gelegen, ist Schloss Bückeburg eines der größten erhaltenen Fürstenschlösser in Norddeutschland und doch bei weitem nicht so bekannt wie andere Schlösser seiner Kategorie. Seit mehr als 700 Jahren im Besitz des Fürstenhauses Schaumburg-Lippe, beeindruckt das Schloss mit prunkvoller Innenausstattung, einer bemerkenswerten Hofkapelle im byzantinischen Stil und einer der ältesten noch betriebenen Reithallen Europas, in der regelmäßig Vorführungen der Hofreitschule stattfinden.

Besucherinfo: Das Schloss ist ganzjährig für Besucher geöffnet. Ein besonderes Highlight ist das Goldene Zeitalter des Fürstentums, dargestellt in den prächtigen Räumen des Barockflügels.

3. Schloss Bothmer, Mecklenburg-Vorpommern

Nahe der Ostseeküste in Klütz liegt Schloss Bothmer, die größte barocke Schlossanlage Mecklenburg-Vorpommerns. Das im englischen Stil erbaute Herrenhaus mit seinen symmetrischen Seitenflügeln und dem weitläufigen Park ist ein architektonisches Kleinod, das erst 2015 nach umfassender Restaurierung wiedereröffnet wurde. Graf Hans Caspar von Bothmer ließ das Schloss im 18. Jahrhundert nach seinen Erfahrungen am englischen Hof errichten und verband so englische Bautraditionen mit norddeutscher Backsteingotik.

Besucherinfo: Zwischen April und Oktober geöffnet. Der Park ist ein hervorragendes Beispiel für barocke Gartengestaltung und zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert.

Mitteldeutschland: Versteckte Schönheiten in dicht besiedelten Regionen

4. Schloss Rochlitz, Sachsen

Über dem Tal der Zwickauer Mulde thront Schloss Rochlitz, eine über 1000 Jahre alte Anlage, die zu den ältesten Schlössern Sachsens zählt. Trotz seiner Bedeutung für die sächsische Geschichte – es diente unter anderem als Witwensitz der Herzoginnen von Sachsen – ist das Schloss vergleichsweise unbekannt. Die unterschiedlichen Baustile aus verschiedenen Epochen machen einen Rundgang besonders interessant. Das kürzlich eröffnete interaktive Museum bringt die Geschichte auf moderne Weise zum Leben.

Besucherinfo: Ganzjährig geöffnet. Die Aussicht vom Turm über das Muldental ist ein Highlight, ebenso wie die gotische Fürstenkapelle.

5. Schloss Sondershausen, Thüringen

Im nördlichen Thüringen liegt das imposante Residenzschloss Sondershausen, das einst Sitz der Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen war. Mit seiner prächtigen Barockfassade und dem beeindruckenden Festsaal zählt es zu den bedeutendsten Barockschlössern Mitteldeutschlands. Besonders bemerkenswert ist das Blaue Kabinett mit seiner Sammlung ostasiatischen Porzellans und die Schlosskirche mit ihrem akustisch hervorragenden Konzertsaal. Die umfangreiche Musiksammlung zeugt von der bedeutenden musikalischen Tradition des Hofes.

Besucherinfo: Neben regulären Führungen finden im Schloss regelmäßig klassische Konzerte statt. Das Musikfestival "Thüringer Sommermusik" nutzt den Festsaal als Hauptspielstätte.

6. Schloss Altenstein, Thüringen

Oft überschattet vom nahen Wartburg-Tourismus, ist Schloss Altenstein eines der schönsten Beispiele für Schloss- und Parkgestaltung in der Romantik. Der weitläufige Landschaftspark mit seinen Grotten, Wasserspielen und Aussichtspunkten bietet spektakuläre Blicke über den Thüringer Wald. Das Schloss selbst wurde im 19. Jahrhundert im neogotischen Stil erbaut, erlitt jedoch im 20. Jahrhundert schwere Zerstörungen und wird seitdem schrittweise restauriert.

Besucherinfo: Der Park ist ganzjährig zugänglich, das Schloss kann nur teilweise besichtigt werden. Die beste Besuchszeit ist im Frühling, wenn die botanischen Raritäten des Parks in voller Blüte stehen.

Süddeutschland: Verborgene Pracht im Schatten berühmter Nachbarn

7. Schloss Weikersheim, Baden-Württemberg

Im lieblichen Taubertal liegt ein wahrer Schatz der Renaissance: Schloss Weikersheim. Mit seinem prächtigen Rittersaal, dem barocken Garten und dem gut erhaltenen Inventar bietet es authentische Einblicke in das höfische Leben vergangener Jahrhunderte. Während die Touristenströme ins nahe Rothenburg ob der Tauber fließen, kann man hier in Ruhe die perfekt restaurierten Räume und den symmetrischen Barockgarten mit seinen zahlreichen Skulpturen genießen.

Besucherinfo: Ganzjährig geöffnet, mit Führungen durch die historischen Prunkräume. Der Höhepunkt ist der Rittersaal mit seiner kunstvollen Stuckdecke und lebensgroßen Jagdtierfiguren.

8. Schloss Lichtenstein, Baden-Württemberg

Obwohl mittlerweile kein absoluter Geheimtipp mehr, wird Schloss Lichtenstein oft vom Ruhm seiner berühmteren Nachbarn Neuschwanstein und Hohenzollern überstrahlt. Dabei ist das "Märchenschloss Württembergs" mit seiner spektakulären Lage auf einem Felsen der Schwäbischen Alb ein wahres Juwel der Neugotik. Inspiriert durch Wilhelm Hauffs Roman "Lichtenstein", ließ Herzog Wilhelm von Urach das Jagdschlösschen im 19. Jahrhundert zum romantischen Märchenschloss umbauen.

Besucherinfo: Von März bis November geöffnet. Bei klarer Sicht reicht der Blick von der Schlossterrasse bis zu den Schweizer Alpen.

9. Schloss Egg, Bayern

Tief im Bayerischen Wald versteckt, ist Schloss Egg eine der am besten erhaltenen mittelalterlichen Burganlagen Deutschlands. Seit über 850 Jahren im Besitz derselben Familie, wird die Burg noch heute bewohnt. Besucher können bei Führungen die romanischen, gotischen und renaissancezeitlichen Teile der Burg erkunden und erhalten authentische Einblicke in das Leben auf einer mittelalterlichen Burg – fernab des Massentourismus.

Besucherinfo: Von April bis Oktober können an Wochenenden Führungen gebucht werden. Ein besonderes Erlebnis sind die regelmäßig stattfindenden mittelalterlichen Festtage.

10. Schloss Mespelbrunn, Bayern

Versteckt in einem Seitental des Spessarts liegt das Wasserschloss Mespelbrunn – eine der malerischsten Schlossanlagen Deutschlands. Das Renaissance-Schloss, umgeben von einem stillen Weiher und dichten Wäldern, wirkt wie aus einem Märchenbuch entsprungen. Seit über 600 Jahren im Besitz der Familie Echter-Ingelheim, ist das Schloss bis heute bewohnt und verwahrt in seinen historischen Räumen originale Möbel und Kunstgegenstände aus verschiedenen Epochen.

Besucherinfo: Von März bis November geöffnet. Besucher können an Führungen durch die historischen Räume teilnehmen oder einfach die idyllische Atmosphäre des Schlosshofes genießen.

Westdeutschland: Schlossromantik am Rhein und in der Eifel

11. Schloss Bürresheim, Rheinland-Pfalz

In einem Seitental der Eifel liegt Schloss Bürresheim, das den meisten nur aus dem Film "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug" bekannt sein dürfte, wo es als "Schloss Brunwald" diente. Die mittelalterliche Burg wurde im Laufe der Jahrhunderte zum Schloss erweitert und blieb als eine der wenigen Burgen im Rheinland von Zerstörungen verschont. Dadurch präsentiert sich Bürresheim heute als authentisches Beispiel für die Entwicklung einer Burg vom Mittelalter bis in die Barockzeit.

Besucherinfo: Von März bis November geöffnet. Besonders sehenswert sind die Küchenanlagen mit originalem Inventar aus dem 18. Jahrhundert.

12. Schloss Drachenburg, Nordrhein-Westfalen

Hoch über dem Rhein, am Hang des Drachenfels, thront Schloss Drachenburg. Obwohl es den Anschein eines mittelalterlichen Rittersitzes erweckt, wurde es erst Ende des 19. Jahrhunderts als Privatvilla eines Börsenmaklers errichtet. Die Mischung aus neugotischen, Neorenaissance- und klassizistischen Elementen mag stilistisch diskutabel sein, schafft aber eine märchenhafte Atmosphäre. Nach Jahren des Verfalls wurde das Schloss aufwendig restauriert und beherbergt heute eine Ausstellung zur wechselvollen Geschichte des Gebäudes.

Besucherinfo: Von März bis November täglich, in den Wintermonaten am Wochenende geöffnet. Die Panoramaterrasse bietet einen spektakulären Blick auf das Rheintal.

Tipps für die Erkundung versteckter Schlösser

Die beste Reisezeit

Während die berühmten Schlösser ganzjährig überlaufen sind, kann man die versteckten Perlen am besten in der Nebensaison besuchen. Frühling und Herbst bieten angenehme Temperaturen, wunderschöne Gärten und deutlich weniger Besucher.

Unterkunft und Transport

Viele der versteckten Schlösser liegen in ländlichen Regionen abseits der großen Touristenzentren. Ein Mietwagen bietet die größte Flexibilität für die Erkundung, während Übernachtungen in nahegelegenen Kleinstädten oder ländlichen Pensionen oft nicht nur günstiger, sondern auch authentischer sind als in den touristischen Hotspots.

Fotografieren

In vielen Schlössern ist das Fotografieren im Inneren eingeschränkt oder ganz verboten. Erkundigen Sie sich vor Ihrem Besuch über die geltenden Regeln. Die Außenanlagen bieten jedoch in der Regel reichlich Gelegenheit für beeindruckende Aufnahmen.

Sonderveranstaltungen

Viele Schlösser bieten neben regulären Besichtigungen auch Sonderveranstaltungen wie Konzerte, historische Märkte oder thematische Führungen an. Ein Blick auf die Website des jeweiligen Schlosses lohnt sich vor der Reiseplanung.

Fazit

Deutschlands versteckte Schlösser bieten authentische Einblicke in verschiedene Epochen der Geschichte, ohne die Nachteile des Massentourismus. Sie erzählen Geschichten von mächtigen Fürsten, ehrgeizigen Bauherren und dem Wandel der Zeiten – oft in intimerer und eindrücklicherer Weise als ihre berühmteren Pendants. Ein Besuch dieser architektonischen Schätze abseits der ausgetretenen Pfade lohnt sich für jeden, der Geschichte hautnah erleben möchte.

Begeben Sie sich auf eine Entdeckungsreise zu Deutschlands verborgenen Schlössern und lassen Sie sich verzaubern von ihrer Schönheit und ihren Geschichten, die nur darauf warten, erzählt zu werden.

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